Rekordflug im Jura
Fr 29.April 2016 - Mauborget
Durch die halbe Schweiz - Yverdon bis S12
WHAT A DAY!
Eigentlich wollte ich mit Werner auf den Weissenstein, aber am Bahnhof
Winti war schon die halbe Gleitschirm Achse Winti-Schaffhausen versammelt,
die Richtung Mauborget zielte. Sergio, Markus, Tom, Beat, Urs, Stefan
und auch noch im Zug ab Züri der Karl.
Umdispoinieren dank Tageskarte kein Problem, nach Mauborget wollte
ich schon lange mal.
Unterwegs diskutierten wir viel: Wetter, Route, Fliegerlatein halt.
Sergio setzte dann aber die Ziele: Zuerst mal wegkommen - das kann
auch schon schief gehen dort, dann den Chasseral erreichen. Ab da
ist's ja dann einfach zurück bis nach Brugg, weil dort fährt
ja dann die S12 wieder heim.
Na dann :)
Die ersten fliegen schon, als wir in Yverdon einfahren. Keine Zeit verlieren, Wasser am Kiosk kaufen, Transport organisieren: Wir quetschen uns in zwei Taxis à 60.- zum Startplatz. Resti, gemütlich, gross. Und eine positive Überraschung dazu: Netterweise hat SkyGuide den LS-R4a ausgeschaltet für uns. Raini vom DC-Falk konnte die Skyguide überzeugen, dass sie den heute nicht bräuchten.
Ich lege ganz hinten aus, mache mich bereit und muss nicht mal mit der Tulpe nach
vorne - der Weg ist gerade frei geworden, und ich kann auch von hier
aus gut aufziehen, und an die Kante vorghen.
Nach dem Start gehts zuerst etwas harzig in der ruppig pulsierenden,
engen Thermik. Ich kratze rechts vor dem Startplatz herum, komme
immer mal wieder etwas höher, es säuft dafür auch
überall. Als ich dann gegen Osten im dritten Anlauf endlich
mal Basis mache, geht's besser. Irgendwo geht immer etwas ab,
aber gemütlich ist anders - andere haben hier schon genug und
gehen landen.
Die erste Querung über die Areuse Schlucht kann ich dann von 2000m aus in Angriff nehmen. Drüben noch etwas Höhe tanken, dann geht's über den Col de la Tourne an die flachen Wälder vor dem Mont Racin. Soll ich über's Tal raus, wo einer vor mir ziemlich tief ist? Ich riskiere es mit etwas mehr Höhe über die Wälder. Wenn nichts geht, steh ich da oben auf einer Lichtung ziemlich blöd da, rausfliegen geht nicht bei der Neigung. Aber kein Problem, es trägt dreimal an die Basis und der Chasseral tauch am Horizont auf.
Über den Vue des Alpes an die markante Krete vom Mont d'Amin,
den Chasseral genau im Visier. Noch einmal aufdrehen, dann zur Krete
des Chasseral vorfliegen. Aber aufgepasst, die Wolken dort ziehen
gewaltig! Vor mir kommen zwei Schirme nur mit Ohren oder runterdrehen
wieder raus, und auch ich gebe Vollgas mit Ohren am Chass vorbei.
Ich bin fast immer alleine unterwegs, vor mir sehe ich zwar zwei,
drei Schirme (Markus, Beat), ab und zu kommt einer entgegen und einen,
zwei habe ich überholt, aber zusammen fliegen ist heute nix.
Und es ist es KALT! Immer mal wieder muss ich die Finger einziehen,
um sie aufzutauen.
Geradeausfliegen bis ans Ende der Kette nach Orvin, dann Queren an
die zweite Kette vor La Heutte, weil es mir vorne zu blau aussieht.
Einmal aufdrehen, dann wieder fast gratis dem Montoz entlang bis
zum Stierenberg. Das geht immer schneller, der Westwind bläst
stärker. Immer noch blau vorne, darum wieder an die zweite Krete
bei Motuier, wo's im 4m Schlauch von 1300 zum Tageshoch bei 2360
hoch geht.
Das war leider fast unnötig, denn jetzt kommt der Sch... Tango.
Mein Flugfunk meldet aktiv, verd... nochmal. Die brauchen den heute
bei dem Westwind bestimmt nicht, oder?
Mit Vollgas und Ohren schramme ich der Tango Grenze entlag vor dem Weissentstein raus, bis ich auf 1700 unten bin und dann nur noch geradeaus im Westwind dem Jura nach. Ich drehe kaum noch was aus und lasse mich tief bei Oensingen über die Schlucht blasen.
Schloss Oensingen, im Hintergrund Egerkinger Steinbruch
Jetzt erst merke ich, wie stark der Wind hier am Gelände ist: beim Hochsoaren über der Kante fliege ich rückwärts und muss den Schirm gut festhalten.
Es bläst mich nach Egerkingen runter - 850m - und ich suche schon
mal eine Landewiese ohne Lee. Aber da ist ja noch dieser Steinbruch.
Wenn der zieht, nehm' ich's noch mit.
Der Bart geht ab, aber so einen Schlauch habe ich noch nie erlebt:
bei jedem Kreis geht's rückwärts! Es trägt mich
von Egerkingen auf 850 bis Rickenbach auf 1450m, 6km horizontal und
600m vertikal, und das alles mit einem Affenzahn!
Na dann, weiter Baby, jetzt ist mein persönlicher Rekord in Reichweite!
Ab jetzt ist's Genuss pur. Mit 60km/h Groundspeed, Vollgas sogar
mal 80, kann ich einfach fliegen. Einmal bei Olten, einmal bei Aarau
drehe ich noch auf. Brugg Bahnhof als Ziel: die Glide-ratio-to-Target
wird immer kleiner, ich kann mich einfach treiben lassen und die
Aussicht geniessen. Unter mir ziehen die Sportflieger durch nach
Birrfeld, hoffentlich schauen die raus!
Bald werde ich vorne an der nächsten niedrigen TMA von Zürich
anklatschen. Ich umfliege den 5km Radius um Birrfeld und sehe eine
Landewiese hinter Brugg, etwa 2km vom Bahnhof entfernt. Mein Navi
meint, ich hätte jetzt 145km. Hmmm, ich könnte doch auch...
Klar, die S12 biegt hier Richtung Baden ab - der nächste Bahnhof
tut's auch! Ich quere Aare und Limmat und suche eine hübsche
Wiese in Untersiggenthal, in Laufdistanz zum Bahnhof Turgi.
148km, 149km, noch eine Schlaufe und - Bingo, 150km! Ich setze sanft auf nach meinem bisher weitesten Flug. Gejubelt, zusammengepackt, am Bahnhof ein Bier gekauft und schon bringt mich die S12 zurück nach Winti.
Was war das nur für ein Flug! Hackig, windig, thermisch, kalt,
Luftraum surfen, tolle Aussicht geniessen, wahnsinns Speed, mein
Streckenrekord und am Schluss einfach nur Freude am Fliegen.
Auch die anderen hatten heute einen guten Tag. Beat und Markus bogen
Richtung Basel ab, und Beat landete erst nach über 200km irgendwo
in DE und Sergio flog im Duet mit Urs zu dessem ersten Hunderter.
International 150km freie Strecke, 32km/h Schnitt; Swiss 145km straight distance; 5h in der Luft.
Marcel
Nachtrag: Am Ende der XC Saison 2016 wurde mein Juraritt als schnellster Sportklasse Flug über 100km ausgezeichnet :)