Stadt und Berge
Sydney und die Blue Mountains
Sydney
Wir machen uns auf den Weg nach Sydney, möchten aber vorher noch
schnell ins Internet, um eine Adresse aus dem Cyberspace zu grabschen.
Das gestaltet sich nicht so einfach, wie gedacht, und so sind wir
dann doch schon in Miranda, einem Stadtteil von Sydney, wo ich -
über den Umweg des 'grössten Shoppingcenters der südlichen
Hemisphäre' - einen Computer mit Leitung finde.
In Sans-Souci, einem Stadtteil etwas südlich von Downtown, quartieren
wir uns auf einem Campingplatz ein. Weil einigermassen zentral gelegen
- nur 14km vom Zentrum, 30 Minuten mit Bus und Bahn - kosten die
Mikroplätze hier 45$ die Nacht; so teuer wars noch nie.
Die Lage eignet sich hervorragend, um Camper in Empfang zu nehmen
und abzugeben, und so stehen rundum dann auch nur Europäer,
die entweder am Beginn oder am Ende ihrer Australienreise stehen.
Wir lernen Benno und Ruth kennen, die mit Andreas kurz vor dem Ende
ihrer Ferien sind. Andreas ist sechs wie Tom, und die Kids stürzen
sich mit Wonne auf den ersten Kontakt mit jemandem, den sie verstehen
können.
Als Benno und Ruth dann von ihren Erlebnissen an der Ostküste
erzählen, kommen sie auf ein Pärchen Basler zu sprechen,
die sie dort getroffen haben. Uns kommt ein schrecklicher Verdacht:
das werden doch nicht etwa Andrea und Matthias sein, die uns schon
durch South Australia verfolgt haben? Tatsächlich, sie sind
es. Aber es kommt noch dicker: die beiden sollen noch heute hier
auftauchen!
Kaum gesagt, nützt kein Verstecken mehr: sie treffen tatsächlich
hier ein und das herzliche Wiedersehen ist unabwendbar ;-)
Kinder und Erwachsene kamen diese Nacht nicht gross zum Schlafen,
und die australische Bier- und Weinindustrie dürfte ihre Freude
gehabt haben an der Runde Schweizer, die - immer grösser werdend
- diese Nacht versammelt war...
Downtown
Am Morgen fahren wir mit unseren neuen Freunden mit Bus und Zug ins Zentrum von Sydney,
wo wir zuerst in den AMP Tower wollen. Das Ding ist über 300m
hoch und bietet natürlich eine unvergleichliche Aussicht über
die Stadt.
Im Preis inbegriffen ist eine multimediale Show über Australien
und Sydney, die natürlich den Kinder super gefällt. Ich
selber kann mich am Panorama kaum satt sehen, und die gesalzenen
Preise im Bistro werden von der exklusiven Lage der Tische 300m über
der Stadt locker wett gemacht.
Hier trennen sich die Wege unserer beiden Familien, und wir spazieren Richtung Circular
Quay. Auffällig sind die vielen guten Strassenartisten, von
denen einer Lisa - und alle anderen Zuschauer - regelrecht verzaubert.
Vom Quay fährt uns eine Fähre nach Darling Harbor, wo das
Sydney Aquarium mit Nemo und seinen Artgenossen lockt. Am spannendsten
ist das grosse Becken, wo man unter den Haien, Rochen und sonstigen
Riesenfischen durchgehen kann. Tom knipst jedenfalls, was die Akkus
hergeben.
Während Tom und ich das wunderschöne Riff-Aquarium noch
geniessen können, hat Lisa langsam genug. Ihr Kommetar: "Ich
cha die blöde Fisch nümä aaluegä!"
Die Food Courts hier sind wirklich fantastisch: ein dutzend (vor allem
asiatische) Stände mit gutem und günstigen Essen, gruppiert
um eine Ladung Tische, machen die Wahl jeweils zur Qual. Auf jeden
Fall können wir uns vor dem langen Weg zurück zum Campingplatz
noch fein verköstigen.
Ganz so spät wie gestern wird es heute weder bei den Kindern
noch bei uns, doch der Berg an Bierflaschen wächst auch ohne
die Basler diese Nacht wieder ein wenig an...
Markt und Besuch
Wir verabschieden uns von Benno, Ruth und Andreas, die sich auf den
langen Heimweg in die Schweiz machen und fahren nach Sydney zum Paddy-Markt.
Dort grasen wir die Stände ab, kaufen einen Koffer, verlieren
die Zug- und Busbillete, essen Sushi und andere Köstlichkeiten
und kommen irgendwie wieder zum Campingplatz.
Wir haben mit Beat und Linda abgemacht. Beat ist ein alter Arbeitskollege,
der vor zehn Jahren nach Australien ausgewandert ist und sich mit
seiner Frau im Süden von Sydney niedergelassen hat. Tom zeigt
sich angetan vom grossen Haus mit Pool und findet zum ersten Mal,
das Auswandern vielleicht doch eine Option sein könnte.
Wir essen in Cronulla und plaudern bis tief in die Nacht über
Gott, die Welt und Motorradtouren im Outback. Es ist natürlich
zu spät, um zum Campingplatz zurückzukehren, aber wir haben
unser Haus ja immer dabei und übernachten einfach in Beats Einfahrt.
Blue Mountains
Am Morgen dürfen wir uns bei Beat frisch machen und geniessen das Zmorge mit
ihm und Linda. Bald darauf verabschieden wir uns und machen uns mit
Reisetipps und Karten versehen auf den Weg. Es geht westwärts
aus Sydney raus Richtung Katoomba. (Das erste Mal verfransen wir
uns nicht auf dem Weg aus einer Grossstadt raus!)
Katoomba liegt in den Blue Mountains, einem grossen Nationalpark,
der gleich an der Stadtgrenze anfängt und aus einigen Bergzügen
und spektakulären Tälern besteht. Die Berge blockierten
lange den Zugang von der Ostküste ins Landesinnere, und ihre
Überwindung war ein Meilenstein in der Kolonialisierung Australiens.
Die Blue Mountains heissen so, weil die duftenden Öle, die von
den riesigen Eukalyptuswäldern abgegeben werden, die Luft über
den Tälern bläulich scheinen lässt.
Katoomba ist der zentrale Ort hier. Zum einen, weil er von Sydney
her schnell zu erreichen ist (es führt sogar ein Nahverkehrszug
direkt von Downtown hierher) und vor allem wegen den Three Sisters,
drei Felsnadeln, die ins Tal hinaus ragen und vom Echo Point in der
Stadt gut fotografiert werden können.
Wir halten dann aber nicht in Katoomba, sondern fahren weiter nach Blackheath. Im
Campingführer steht, dass der Campingplatz gleich neben einem
Schwimmbad gelegen ist, was bei den Kindern immer einige Millionen
Bonuspunkte gibt.
Leider stellt sich heraus, dass der Pool seit ein paar Jahren trocken
liegt und noch immer kein Geld in Aussicht ist, um das lecke Ding
zu renovieren...
Na ja, immerhin gibt es einen grossen Spielplatz, und einige Hausenten
zum Füttern.
Grand Canyon, wieder einer
Sandwiches streichen, Wanderrucksack mit viel Wasser packen, Camper fahrtüchtig
machen und los gehts zu einem Parkplatz, der beim Einstieg zur Grand
Canyon Wanderung liegt.
Zuerst gehts zu einem Aussichtspunkt, von wo aus man einen schönen
Blick über das
Grose River Valey hat. Der Weg führt dann steil der Felswand entlang zu einer
Schlucht runter, in der wir zum Grand Canyon absteigen. Der Weg ist
wunderschön, gesäumt von Felswänden, Farnen und einem
Bach. Im Grand Canyon geht es dann langsam wieder hinauf. Über
lange Strecken ist kein Pfad vorhanden, und wir können uns im
Canyon selber unseren Weg bahnen.
Weiter hinten führt der Weg in der Felswand hoch über dem
Fluss weiter. Auf einem Felsen essen wir die mitgebrachten Sandwiches.
Plötzlich steht ein 80cm Goanna vor uns. (Alles, was irgendwie
echsen- oder waranhaft aussieht, heisst hier unten so). Bettelt der
uns etwa an? Auf jeden Fall schnappt er sich die Brotstückchen
mit flinker Zunge und hält dafür schön still für
die Fotos.
(Diese Bilder sind leider auf mysteriöse Art im digitalen Nirvana
verschollen :-(
Einige Geschichten später kommen wir wieder oben auf dem Plateau an. Ein Schild lockt uns in ein nahe gelegenes Waldrestaurant, wo wir uns bei feinen Glaces von den Strapazen erholen können.
Wir sind mächtig stolz auf die Kinder: Tom und Lisa haben die
vier Stunden über Stock und Stein bergauf und -ab prächtig
mitgemacht!
Zurück beim Campingplatz fallen sie nicht etwa todmüde
ins Bett, nein, sie machen noch eine Stunde lang den Spielplatz unsicher...
Three Sisters
Heute wollen wir wieder eine grössere Wanderung unternehmen: Bei
den berühmten Drei Schwestern führen 1000 Treppenstufen
ins Tal runter, wo wir dann in etwa zwei Stunden bei einer Seilbahn
sein wollen, die uns wieder rauf nach Katoomba führen soll.
Doch leider ist die Treppe geschlossen: Erdrutsche haben den Weg
unpassierbar gemacht.
Wir steigen weiter hinten in den Canyon ein, sehen aber bald, dass
dieser Weg heute zu lange wäre für die Kids. Schon wieder
einen Vierstünder, und dann noch ungeplant, wäre zu viel.
So begnügen wir uns mit einem kürzeren Rundgang zu den
Leura Fällen. Auch diese führen der Jahreszeit entsprechend
wenig Wasser, aber die Wanderung führt wieder an steilen Felsen
und atemberaubenden Abgründen vorbei zu schönen Aussichtspunkten
und stillen Waldecken.
Traumzeit Geschichte: Die drei Schwestern
In der Traumzeit waren mal drei schöne Schwestern: Meenhi, Weemala
und Gunnedoo. Die Schwestern lebten mit ihrem Vater, dem Medizinmann
des Katoomba Stammes. Die drei waren unsterblich in drei Brüder
vom Nepean Stamm verliebt.
Leider verbot das Gesetz der Vorväter den Mädchen, ausserhalb
ihres Stammes zu heiraten. Die Brüder aber waren mutige Krieger
und entschlossen, sich die Mädchen mit Gewalt zu holen.
Ein Kampf entbrannte, in dessem Verlauf der Medizinmann sich gezwungen
sah, seine Töchter mit seinem Zauberstab in Felsen zu verwandeln,
um sie vor den Brüdern zu verbergen.
Natürlich wollte er die Schwestern nach dem Kampf zurückverwandeln,
aber leider kam er selber in den Streitikeiten ums Leben.
Wenn man heute ganz still ist, kann man manchmal einen Lyrebird sehen, wie er in der Erde kratzend immer noch nach dem verlorenen Zauberstab sucht...
(Die Tourismus Industrie wäre wohl ziemlich aufgebracht, wenn er ihn jemals finden sollte. Immerhin locken die drei Schwestern eineinhalb Millionen Touristen jährlich zum Echo Point, um ein Photo von den Felsen zu machen.)
Speziell ist der Film einer extrem seltenen Baumart gewidmet: Der Wollemi Pine Tree wurde erst im Jahre 1994 von Wanderern in einem abgelegenen Tal entdeckt - der genaue Ort wird geheim gehalten. Der 30m hohe Baum, von dem es gerade mal 40 Stück in diesem Tal gibt, galt als seit Millionen von Jahren ausgestorben.
Der Urbaum, der aussieht wie eine Mischung aus Föhre, Palme und Farnbaum, bedeckte zur Zeit der Dinosaurier in riesigen Wäldern die ganze Erde. Es ist fraglich, ob er noch lange in der Wildniss überleben kann, weil es vielleicht schon zuwenige davon gibt.
Irgendwie hat mich der Film auf Ideen gebracht: Im Dorf erfahre ich nämlich, dass es keine Klettertour für mich und Tom gibt am nächsten Tag, aber dafür Canyoning auf dem Program steht. Nach einer kurzen Konferenz mit Corinne buche ich mich dort ein und freue mich auf einen nassen Tag mit Abseilen im Wasserfall und so.
Canyoning
Am Morgen früh holt mich der Manager des Kletterladens ab, der glücklicherweise
in Blackheath wohnt, wo unser Campingplatz ist. Im Laden treffe ich
auf Cameron, der die Tour leiten wird, und Nick, den zweiten Teilnehmer.
Wir werden mit Gstältli, Helm, Neoprenanzug und Turnschuhen
ausgerüstet, dazu kommt ein Rucksack fürs Nasse und eine
Tasche, die trocken bleiben soll.
Am Morgen steht Einführung im Abseilen auf dem Programm, darum
fahren wir zu einigen Cliffs, wo sich das gut üben lässt.
Das erste Abseilen ist dann auch eher banal, hätte man den kleinen
Felsen doch auch fast runter springen können. Bei der zweiten
Wand sieht es schon ein wenig anders aus: 30m Wand, der unterste
Teil frei hängend
Zweimal lasse ich mich dort runter. Auch Nick hat keine Probleme.
Hier treffen wir noch eine andere Gruppe mit Martin und zwei Frauen.
Die Eine schafft es locker, die andere gerät in Panik, sobald
sie sich ins Gstältli hängen soll. Alles Zureden hilft
nichts, sie will nicht über die Kante raus.
Wir gehen alle zur dritten Steilwand. Hier wird es mir ziemlich mulmig:
Es geht 35m runter zu einem kleinen Felsvorsprung, 30m davon überhängend.
Vom Felsvorsprung aus fällt die Wand aber noch einige hundert
Meter weiter ab, so dass es von oben doch sehr ungemütlich aussieht.
Das erste Mal bin ich fast starr vor Angst und lasse mich seeehr
langsam runter. Das zweite Mal geht es schon besser, und erst das
dritte Mal kann ich die Aussicht so richtig geniessen. Ich hänge
an einem Seil weit über dem Abgrund, einige Meter von der Wand
entfernt, drehe mich langsam um mich selbst und kann meilenweit übers
Tal hinweg schauen!
Nach einem kleinen Lunch machen wir uns auf den Weg runter zu den Wentworth Falls.
Wir sind aber weniger an den Aussichtspunkten interessiert, sondern
suchen einen Ort, wo man in den Canyon einsteigen kann. Flugs den
Nassanzug angezogen, alles montiert und verpackt, dann ein beherzter
Sprung ins kalte Wasser und los gehts.
Es wird eine wunderschöne 'Wanderung' den schmalen Canyon
runter, immer wieder unterbrochen von Schwimmstrecken und Absätzen,
die man mit einem kühnen Sprung überwinden muss.
Am Ende des Canyons erwartet uns dann der Wasserfall. Cameron macht
die Seile fertig, und wir seilen uns 30m durch den Wassserfall in
den darunter liegenenden Pool ab. Cool!
Schliesslich schafft auch die Höhenverängstigte den Abstieg,
allerdings nicht alleine: Martin trägt sie mehr oder weniger
den Fall runter...
900 Stufen hoch zum Bus im Neoprenanzug: Ich hätte mich wohl auch
besser im Canyon umgezogen... Na ja, auch das überlebe ich noch,
und dank Cameron komme ich auch wieder bis zum Campingplatz zurück.
Ein super Erlebnis! Ruhig, aufregend, beschaulich und voller Action.
Daheim ist Corinne leider immer noch nicht voll genesen. Ihre Zähne
plagen sie und auch sonst ist sie nicht auf dem Damm.
Hoffentlich bessert sich das bald, wollen wir doch die letzten zwei
Wochen unserer Ferien noch in vollen Zügen beim
Baden an der Küste geniessen!